"HaHe-Verschneidung", VI+, 50°, Laliderer Wände (Dreizinkenspitze)

Die Laliderer Wand im Karwendel ist sicherlich die berüchtigtste Felswand der Nördlichen Kalkalpen. Klettergrößen wie Dibona, Herzog, Schmid, Auckenthaler, Buhl,  Rebitsch oder Mariacher hinterließen hier ihre Spuren. Wer sich zur Kletterelite zählte kam an dieser bis zu 800m hohen, brüchigen und finsteren Nordwand nicht vorbei. Bis in die 1980er Jahre wurde hier geklettert was das Zeug bzw. der Fels hält. Die Zeiten haben sich geändert. Bis auf eine Handvoll Begehungen im Jahr, meist durch tiroler oder bayerische Lokalpatrioten, tut sich nicht mehr viel über dem Laliderer Tal. Dies hängt zum einen mit dem Einzug des Bohrhakens zusammen, der an der Laliderer Wand bis auf eine Ausnahme immer noch fehlt, zum anderen mit der Felsqualität, die modernen Genusskletter-Ansprüchen nicht mehr standhält. Für Abenteuerkletterer und Karwendel-Liebhaber gibt es aber nicht viele Flecken, die ein ähnliches Erlebnis bieten können. 


Die HaHe-Verschneidung befindet sich im Winkel zwischen Grubenkarpfeiler und Dreizinkenspitze im östlichen Teil der Laliderer Wände. Sie wurde 1921 von Otto Herzog und Gustav Haber erstbegangen und stellte zu dieser Zeit eine der schwersten Kletterwege überhaupt dar.  Viele Jahre wartete sie auf eine Wiederholung. Das lag nicht an der geringen Frequentierung, sondern an den Schwierigkeiten, die in der Route geboten werden. Haber/Herzog waren ihrer Zeit 1921 sicherlich voraus. 


Die Besonderheit der Route ist ihre Zweiteilung. Zuerst warten 330m anspruchsvolles Felsgelände auf die Begeher, um dann mit einer 350m hohen „Eisschlucht“ abgerundet zu werden. Das Felsgelände ist anhaltend im V. und VI. Grad mit maximalen Schwierigkeiten bis VI+. Die schlecht absicherbare Schlüssellänge wartet ganz am Ende des Felsteils. Die Eisschlucht ist passagenweise 50° steil. Hier hilft es sehr, gute Verhältnisse zu erwischen. Das heißt, die Schlucht sollte noch mit Schnee gefüllt sein, da man ansonsten auf extrem brüchiges Gelände trifft und mit Steinschlag konfrontiert wird. 

Wir wählten für unsere Begehung  Anfang Juli 2019. In dieser Zeit kann der Felsteil zwar noch unangenehm nass sein, aber die objektiven Gefahren in der Eisschlucht sind reduziert. Zuerst wartete das alljährliche riesige Lawinenfeld am Einstieg auf uns, da sich der Großteil des winterlichen Schnees hier ablagert. Konsequenz: Eine 20m tiefe Randkluft. Am besten geht man die Randkluft von rechts an, was bei uns problemlos möglich war. Einziger Wermutstropfen: Steht man einmal tief in der finsteren Randkluft, am eigentlichen Einstieg, kann man es schon mit der Angst zu tun bekommen. 20 Meter Schnee hängen drohend über uns. Unschön.


Darum hieß es bei unserer Begehung nicht lang fackeln, losklettern und die erste nasse Seillänge hinter uns bringen. Damit war die Gefahr vom Schnee erschlagen werden gebannt. Im weiteren Verlauf der Route folgt ein Mix aus Wandkletterei, kleinen Überhängen, glatten Verschneidungen und feuchten Rinnen. Gewürzt wird der Aufstieg mit oft veränderungsfreudigem Fels, spärlicher und schlechter Absicherung und recht geschlossenem Fels. Das macht die zusätzliche Absicherung mit mobilem Werkzeug (Cams, Keile) schwierig. Daher empfehle ich dringend die Mitnahme von je 5-6 Schlaghaken und je einen Hammer pro Kletterer. Diese sind vor allem zur Verstärkung und Überprüfung der alten Standplätze recht hilfreich. 


Nach etwa 7 Seillängen erreicht man die große Grotte. Hier handelt es sich um ein grünes, moosiges und feuchtes Loch mitten in der Wand. Was jetzt folgt ist „eine der eigenartigsten Kletterstellen der Geschichte“. Ein waagrechter und höhlenartiger Kamin zieht wie ein Tunnel durch das Dach der Höhle. Der Einstieg in das Tunnelloch ist erstmal bedrückend. Steht und steckt man dann erstmal in dem finsteren Loch, ist es gar nicht mehr so wild. Man wurschtelt sich einfach dem Licht entgegen. Am Ende des Tunnels angekommen stecken 3 Schlaghaken. Von dort erreicht man mittels Seilzugquergang den nächsten Standplatz, den man sorgfältig einrichten sollte. 


Am Ende des Felsteiles wartet die klettertechnisch schwierigste Seillänge der Tour. Ein Abflug ist hier nicht empfehlenswert, da man ansonsten einen unguten Standsturz fabriziert. Mit VI+ nicht überbewertet, gilt es hier eine splittrige und kleingriffige Wandstelle zu überwinden, bevor man in der leichter werdenden Verschneidung, in einen kleinen Kessel klettert. Hier beginnt die Eisschlucht. 5 Stunden hatten wir für die 9 Seillängen hier her gebraucht. Liest sich relativ lange, aber man hat handwerklich einfach zu tun. 


Da wir von unserer Begehung des Grubenkarpfeilers in der Vorwoche, um die perfekten Schneeverhältnisse in der Eisschlucht wussten, hatten wir beide Leichtsteigeisen und einen leichten Pickel dabei. So stellte die Schlucht kein großes Problem mehr dar und nach weiteren 50 Minuten standen wir am Ausstieg. 

Über Schneefelder querten wir rüber zur Biwakschachtel und dann zum Einstieg in die Spindlerschlucht. Da wir diese mittlerweile sehr gut kannten, war die Abseilerei und Abkletterei in unter einer Stunde Geschichte. Leider hatte die Falkenhütte diese Saison noch wegen Renovierung geschlossen und so mussten wir auf unser wohl verdientes Bier noch bis zu den Engalmen warten. Dort schmeckte es dann aber um so besser! Das Topo zur Tour findet ihr hier im Blog unter der Rubrik Topos.