Mythos Drei Zinnen: Drei Routen der Extraklasse
Die Drei Zinnen sind das Wahrzeichen der Dolomiten und bilden eine der bekanntesten Bergformationen in den Alpen. Eigentlich handelt es sich um einen ganzen Gebirgsstock mit einer Vielzahl an Gipfeln und Wänden. Die drei markantesten Gipfel sind die Große Zinne, die Westliche Zinne und die Kleine Zinne. Die beiden ersteren Zapfen beeindrucken vor allem mit ihren berühmt-berüchtigten Nordwänden. Die Nordwand der Kleinen Zinne ist auch nicht von schlechten Eltern, jedoch ist ihre Südwand weitaus steiler und schwieriger. An allen drei Bergen befinden sich viele absolute Klassiker und auch extreme Klettereien. Hier möchte ich 3 Routen vorstellen, die einiges gemeinsam haben: Alle sind zu Klassikern oder Neoklassikern mutiert, alle sind sie ordentlich steil und erfordern ein gewisses Maß an Kraftausdauer und alle warten mit maximalen Schwierigkeiten um VIII+ oder VIII+/IX- auf.
Meinen Erstkontakt mit den Drei Zinnen hatte ich im Jahr 2012 mit der „Hasse-Brandler“ oder „Direttissima“ an der Großen Zinne aus dem Jahr 1958. Im Versante Sud Drei Zinnen-Führer steht: „Extrem, schwierig, historisch…Nach Meinung vieler gehört sie zu den Dolomitenrouten mit den höchsten und komplexesten Anforderungen und natürlich ist sie auch deshalb so berühmt.“ Soweit so gut. Es gibt heute natürlich bei weitem anspruchsvollere Routen, auch und vor allem in den Dolomiten. Was der Route aber mit Sicherheit geblieben ist, ist ihre Berühmtheit und Steilheit.
Das bringt Probleme mit sich. Es ist meistens viel los in der Tour. Um nicht im Stau zu stehen und sich im weiteren Verlauf des Tages nicht sämtliche wichtige Körperteile abzufrieren, sollte man früh dran sein. Sehr früh. Und sich am besten trotzdem warm anziehen. Ich habe die Zinnen-Nordwände auch an wirklich warmen Sommertagen saukalt erleben dürfen. Die Tour startet in den ersten 8 Seillängen mit schöner, meist senkrechter Kletterei und ist relativ gut mit ein paar Bohrhaken saniert. An fast jedem Stand steckt ein Bohrhaken.
Danach folgt der interessanteste Teil der Route. 4 überhängende Seillängen durch eine umgekehrte Riesentreppe. Hier finden sich viele Schlaghaken jeden Alters. Frei geklettert ergibt sich so der obere VIII. Grad. Wer das hinter sich gebracht hat, wird die letzten 5 Seillängen im V. und VI. Grad auch noch gut bewältigen, bevor man auf das Ringband aussteigt. Den markanten Kamin in diesen Längen sollte man allerdings nicht zu tief drinnen angehen. Ab dem Ringband kann man entweder über den Normalweg auf den Gipfel steigen (machen die meisten Seilschaften) oder in 3-4 Seillängen weiterhin in der Nordwand kletternd auf den Gipfel. Der Abstieg erfolgt über den Normalweg, wobei einige Male abgeseilt wird.
An der Westlichen Zinne befindet sich meiner Meinung nach eine absolute Kingline: Die „Scoiattolikante“, VIII+/IX-. Im August 2017 fanden wir hier sehr gute (weil einigermaßen warme) Verhältnisse vor. Die ersten 4 Seillängen klettert man gemeinsam mit dem ebenfalls sehr lohnenden Pause-Klassiker „Cassin“. Ab dem Abzweig wird man meist alleine sein.
Hier pfeift die „Scoiattoli“ in direkter Linie überhängend nach oben und es wartet gleich die Schlüssellänge der Route. Anfangs noch brüchig querend, wird der Fels im steilsten und schwersten Teil der Seillänge fest. Neben vielen Schlaghaken gibt es auch einen Bremserbolt, der die Nerven schont und die Freikletterei nicht zum Harakiri-Unternehmen werden lässt. Diese Seillänge wird jedem, wegen der enormen Ausgesetztheit in Erinnerung bleiben.
Der restliche Anstieg besteht aus anhaltender Ausdauerkletterei im VII. Grad mit 2 etwas schwereren bouldrigen Passagen. Bis auf eine Ausnahme können die Stände immer an 1 Bohrhaken + 1 Schlaghaken bezogen werden. Dazwischen finden sich viele Schlaghaken und ganz wenige alte Bolts.
Die wenigen Runouts im VII. Grad können ganz gut mit mobilen Sicherungsmitteln entschärft werden. Am Ende der Schwierigkeiten gelangt man über leichteres Gelände auf das große Band. Insgesamt hat man hier circa 15 Seillängen hinter sich. Anschließend geht es über den Normalweg auf den Gipfel, über welchen auch abgestiegen wird. Diese Tour kann ich jedem der den Schwierigkeiten gewachsen ist nur empfehlen, genauso wie die Mitnahme von Cams 0.2-3.
An der Südwand der Kleinen Zinne gibt es einige Routen, die zu modernen Klassikern geworden sind. Zum einen die „Perlen vor die Säue“, IX- von Glowacz/Albert, zum anderen „Prima Ballerina“, VIII+/IX- von Hainz/Kehrer und „Ötzi trifft Yeti“, VIII+ von Hainz/Astner. Die „Ötzi“ war meine erste Route an dieser Wand und gleichzeitig fand ich sie auch am anspruchsvollsten. Wie an den Zinnen üblich, gibt es hier sehr viele Leisten. Zusätzlich finden sich noch mehr Leisten. Das Resultat ist ziemlich steile und des Öfteren pumpige Kletterei auf recht gutem Fels.
Alle Stände in der Tour sind gebohrt. Die Absicherung in den Seillängen erfolgte mit einer Mischung aus Schlaghaken und Bohrhaken, wobei auch einige Runouts dabei sind. Vor allem an den weiteren Hakenabstand in der 2ten VIII+ Seillänge erinnere ich mich noch gut. Hier durfte ich auch schon einige weite Brezen beobachten. Aber glücklicherweise ist es auch hier so steil, dass meistens nichts Schlimmeres passiert, als ein ordentlicher Adrenalinschub. Ein Satz Cams bis 2 ist hilfreich, um die Abstände zu verkürzen.
Am Ende landet man auf dem Vorgipfel der Kleinen Zinne. Von dort wird meistens über die „Perlen vor die Säue“ abgeseilt. Wer noch auf den richtigen Gipfel möchte, muss erst in leichter Kletterei bis in die Scharte zwischen Vor- und Hauptgipfel queren und anschließend noch 3 Seillängen bis IV+ klettern. Lohnend ist das allemal und der Abstieg über die perfekte Abseilpiste des Normalwegs geht auch recht flott.